Obadijah
Hallo, ich bin Obadijah. Geboren bin ich am 6. Mai
2011 als Chugach's Wasatch W'Odavaq, und ich hatte
neun Geschwister. An meinen herrlichen
mandelförmigen Honigaugen, meiner buschigen Rute,
meinem federnden Gang, meinem muskulösen
wolfstypischen Körperbau und meinem prachtvollen
wolfsfarbenen Fell könnt ihr erkennen, dass ich
ein reinrassiger Alaskan Malamute von ältestem
Adel aus bestem Hause bin. Denn Irene, meine
Züchtermama, war wohl die großartigste und
verdienteste Züchterin von Alaskan Malamutes in
ganz Deutschland. Sie hat dafür gesorgt, daß wir
Malamutes kaum noch Epilepsie zeigen, denn
anscheinend war die unter deutschen Malamutes vor
Jahrzehnten stark verbreitet. Dank Irene nun nicht
mehr. Das sagen alle. Aber das wollte ich
eigentlich gar nicht erzählen. Sondern ich wollte
erzählen, wie meine Menschen damals im November zu
meiner Irene in unseren Garten kamen, weil sie
dringend einen kraftvollen, zuverlässigen Zughund
suchten, denn ihre beiden Huskies brachten nicht
genügend Zugkraft auf die Hauptleine – Simcha, der
Schlingel, zieht nämlich fast nie mit! Ja da waren
sie ja mit einem Alaskan Malamute bestens beraten,
denn wir als die sprichwörtlichen Lokomotiven des
Nordens, die wir schwerste Lasten über sehr weite
Distanzen ziehen können und das auch noch sehr
gerne tun, sind doch die idealen Zughunde! Und
dazu kuschelige schmiegsame genügsame
schmusewillige Familienhunde! Bestens sozialisiert
im großen Familienrudel mit Geschwistern, Mama,
Papa, Tanten und Großtante! Und meine Menschen
waren auch malamutetauglich, denn zwanzig große
Malamutes gleichzeitig pelznah erschreckten sie
überhaupt nicht. Wir alle fanden sie wahnsinnig
nett und schmissen uns vor ihnen auf den Rücken,
um uns die wolligen Bäuche kraulen zu lassen.
Sogar Papa, und der macht das echt nicht bei
jedem. Irene würde ihnen wohl einen von uns
mitgegeben haben. Aber meine Menschen gingen ohne
mich. Sie waren nachdenklich, fast traurig, denn
wir waren, so sagten sie, wohl doch zu groß für
das Auto – wir paßten nicht zu beiden Huskies und
dem Dackel in den eigentlich sehr geräumigen
Kofferraum.
Im März 2012 kamen sie wieder. Wenn Schemaja gut
gesichert auf dem Rücksitz reist, passen Simcha,
Yossef und, ja, wer in den Kofferraum... Ich war
noch da und auch ein paar meiner Geschwister, denn
Irene war sehr gewissenhaft bei der Vermittlung
passender Familien für uns. Meine Menschen
brachten die anderen Hunde mit. Erst durfte mein
Bruder Woiwoni schauen, ob er alle sympathisch
fand. Doch ihm behagten weder die Menschen noch
die anderen Hunde. Irene hatte sich das schon
gedacht, es war nur ein Test gewesen. Dann aber
durfte ich hinein – und schon war die Sache klar.
Ich hatte die doch schon im November echt nett
gefunden!
Klar, die ersten Nächte waren komisch so fern von
meiner Familie, ich musste sehr wolfsheulen um sie
zu rufen und konnte in den ersten Tagen nicht
pinkeln weil es roch nicht richtig im Garten
obwohl die neuen Kumpel da waren und auch ihre
Markierungen. Naja aber irgendwann ging es dann
doch. Und als Frauchen mich zum ersten Mal –
streng nach Irenes fachkundigen Anweisungen – mit
einspannte und Schemaja auf ihr Wort hin anzog, da
wusste ich urplötzlich, wozu ich auf der Welt bin.
Ja, Ziehen, das ist es! Das ist meine Bestimmung!
Geradeaus ohne Faxen – ich wußte vom ersten Moment
an, was Sache ist.
Aber ich mache auch auf der Spielwiese meinen Job.
Ich passe auf, dass alles friedlich ist. Ich
teste, wie die Neuen drauf sind und achte dabei
auf feinste Signale. Wer Angst hat oder gar nicht
mag, den laß ich in Ruh. Ich bin vorsichtig mit
Welpen und geduldig mit Kleinhunden, ich bin
verspielt, dabei aber auch ruhig und souverän.
Aber ich geb zu, wenn so ein Mädel aufreizend vor
mir herhüpft und mir schöne Augen macht,
dann spiele ich mit ihr, wie sie es mag! An mir
ist nämlich noch alles dran und so soll es auch
bleiben. Bin doch ein ganzer Kerl!
Bleibt noch mein Name. Der gefiel meinen Menschen
zwar vom Klang, aber die Bedeutung passte ihnen
nicht. Odavaq heißt nämlich „der Angeber“. Also
wie ist Irene da nur drauf gekommen?
Meine Menschen haben mich umgetauft. Ich heiße nun
„Obadijah“, früher würdet ihr das übersetzt haben
mit „Diener Gottes“, heute sagt mensch lieber
„Mitarbeiter Gottes“, das entspricht eher der
Wortbedeutung. Ja und wenn das nicht passt!
Natürlich sind meine Menschen nicht Gott für mich.
Sie sind meine Menschen. Aber ich bin Mitarbeiter
Gottes für sie. Weil ohne mich kämen sie echt
nicht klar.
Ja, ich bin Obadijah.
Passt.
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